30. Mai 2017
Zum sechsten Mal hat der aed e. V. – ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Architektur, Engineering und Design – seinen interdisziplinären Nachwuchswettbewerb „neuland“ durchgeführt und in fünf Kategorien insgesamt 21 Preisträger ermittelt, davon fünf Mal den ersten Preis. Bemerkenswert war nicht nur die hohe Gestaltungsqualität der insgesamt 238 eingereichten Projekte, sondern auch die Internationalität: so wurden unter anderem auch Arbeiten aus dem Iran, Saudi-Arabien, Indien und den USA eingesendet. Nach der feierlichen Preisverleihung am 29. Juni 2017 im USM Showroom Stuttgart werden die Gewinner des aed-neuland Wettbewerbs in einer Wanderausstellung gezeigt.
Nach einer engagierten, kontroversen, bisweilen sogar hitzigen Jurysitzung am Stuttgarter ILEK, Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren, stehen die Preisträger des aed neuland-Wettbewerbs 2017 fest: Aus 238 eingereichten Bewerbungen ermittelten die Juroren 21 Preisträger – darunter fünf jeweils mit 2.000 Euro dotierte erste Preise in den Kategorien Architecture & Engineering, Exhibition & Interior Design, Industrial & Product Design, Interaction Design und Communication & Graphic Design. Sowohl die Preisträger als auch die Finalisten werden ihre Projekte im Rahmen der feierlichen Preisverleihung am 29. Juni persönlich vorstellen – „eine einmalige Chance, Innovationen zu entdecken“, so die aed-Vorstände und Koordinatoren des Wettbewerbs, Silvia Olp und Dr. Frank Heinlein. Die Einreichungen kamen aus der ganzen Welt, u.a. aus China, Indien, Iran, Jemen, Niederlande, Österreich, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Spanien, USA; darüber hinaus zeigten Studierende aus mehr als 60 deutschen Akademien, Hochschulen und Universitäten außergewöhnliche Leistungen.
Die prämierten Projekte – Poetisch, konzeptionell und pragmatisch
Eine breite Vielfalt charakterisiert die ausgezeichneten Arbeiten, darunter auch pragmatische Themen, die ein Problem auf eine neue Art lösen: von poetischen und konzeptionell herausragenden Reflexionen zum Thema „Grenzgang“ über ein Projekt zur Regelung des digitalen Nachlasses – von der Jury als „sehr relevant“ eingeschätzt – , bis hin zu einem neuartigen Markierungsroboter für große Gebäudeflächen in Messe- und Lagerhallen. „Sehr kluge und innovative Ideen. Wir können als Jury des neuland-Wettbewerbs stolz darauf sein, dass so zahlreiche qualitativ und konzeptionell starke Arbeiten eingereicht wurden“, kommentierte Jurysprecher Ben Kauffmann, Architekt, KTP Architekten.
Förderer des aed neuland-Wettbewerbs
Auch Dr. Katrin Schlecht, Vorstand der Karl Schlecht-Stiftung und seit 2012 Jurorin und Sponsorin des aed neuland-Wettbewerbs, zeigte sich begeistert von der Internationalität und dem hohen Niveau: „Der neuland-Wettbewerb wird sehr professionell durchgeführt und ist in der Öffentlichkeit anerkannt“, so Katrin Schlecht. Erstmals wird die neuland-Wanderausstellung 2017 auch vom Schweizer Objektmöbelhersteller USM gesponsert. So wird der Stuttgarter USM Showroom erster Ausstellungsort sein.
Weitere Informationen unter aed-neuland.de.
Auszeichnung: 1. Preis
Projektname: INVERSION Bildhauer Refugium – Denkmal an die Rügener Kreide
Medium, Objekt: Denkmal
Preisträger: Léonie Köhler, Lena Werkmeister
Hochschule / Betreuer: Technische Universität Braunschweig, Institut für Entwerfen und Raumkomposition – Prof. Volker Staab / Julian Busch, Raoul Kunz
Autorenstatement
Auf Rügen soll eine Architektur entstehen, welche Bezug zu der einzigartigen Landschaft nimmt. Stetig schwindet die seltene Kreideküste. Die Idee eine Unterkunft für Bildhauer zu schaffen, entstand durch die Materialität vor Ort. Die Künstler können dort direkt mit der Kreide arbeiten. Bei der Auseinandersetzung mit bildhauerischen Arbeitsweisen rückte die Künstlerin Rachel Whiteread in den Fokus, welche Bildhauerei und Architektur verbindet. Es wurde die experimentelle Idee entwickelt, ein Gebäude zu erschaffen, welches in Anlehnung an ihre Arbeit auch als Abguss funktioniert. So entstehen zwei Architekturen in einer. Das erste Gebäude wird in den Kreidefelsen subtrahiert und bietet Arbeitsraum und Unterkunft für Bildhauer. Kurz vor dem natürlichen Verfall durch den Rückgang der Kreidefelsen wird das Gebäude ausgegossen. Nach einigen Jahren zieht sich die Kreide zurück. Nur der Ausguss bleibt bestehen und wird wieder räumlich nutzbar. Ausstellungsraum und Denkmal sind entstanden.
Jurystatement
Die Arbeit vermittelt überzeugend und auf hohem Niveau ein Plädoyer für den Schutz und Erhalt der Kreidefelsen, zugleich aber auch einen überzeugenden Beitrag zur Erinnerungskultur für diesen Ort. Die kontextuelle und inhaltliche Implementierung des Entwurfs in die Kreidewelt Rügens ist den Verfassern genauso überzeugend gelungen, wie die herausragenden Zeichnungen, die angelehnt sein könnten an Darstellungen der französischen Revolutionsarchitektur. Architektur für Bildhauer wird zu einem pas de deux von Architektur und Bildhauerei, wodurch die Verfasser glaubhaft den Bezug zu der von ihnen zitierten Künstlerin Rachel Whiteread aufnehmen. Der Jury gefiel die Idee, Räume für Künstler aus dem Material zu subtrahieren, mit dem sie arbeiten und experimentieren. Gleichzeitig wird durch den vorerst nicht sichtbaren Eingriff in die einzigartige Landschaft der Kreidefelsen der Natur eine besondere Bedeutung beigemessen. Sowohl die Bildhauer als auch die Besucher nehmen mit der Zeit ganz bewusst den Rückgang der Kreide war, aber eher als Faszinosum, denn als Verlust. Der unaufhaltsame Kreislauf der Natur wird so sichtbar und erlebbar und verliert seinen Schrecken. Aus dem Verlust des alten Zustandes entsteht etwas Neues, Positives.
Auszeichnung: 1. Preis
Projektname: Poesie der Dinge – Sonderausstellung im Museum Ludwigsburg
Medium, Objekt: Ausstellung
Preisträger: Frank Brauckhoff, Amelie Beicken, Felicitas Beyer, Silvia Dietrich, Maike Eisenhardt, Lena Hainzinger, Helene Hoffmann, Julia Hölzer, Eva-Maria Jany, Nele Kiss, Patricia Klier, Anika Klos, Anna König, Juliane Krauß, Stella Mack, Wiebke Mennerich, Patricia Mocko, Ricarda Pulcher, Anja Schäfer, Anna-Laura Schmitt, Helena Smalca, Dilara Yildirim, Ruolai Xu
Hochschule / Betreuer: Hochschule für Technik Stuttgart, International Master of Interior-Architectural Design / Prof. Wolfgang Grillitsch, Cornelia Wehle
Autorenstatement
Die Ausstellung ordnet 26 Objekte des Museumsarchivs und ihre Sammlungsgeschichte den 26 Buchstaben des Alphabets zu und verknüpft die Dinge mit 26 Gedichten. Die zufällig wirkende Positionierung der Objekte im Raum folgt der Logik des Gestänges der Schreibmaschine, welches die Tasten mit den Lettern verbindet. Dass diese Maschine noch bis vor Kurzem das wichtigste Instrument der Dichter war, ist unbestritten. Und so wurde es zum Modell des Ausstellungsraumes und virtuos in die Realität übertragen. Zuerst betritt der Besucher eine medial inszenierte Schreibmaschinentastatur. Das Anschlagsgeräusch der Mechanik taktet den Besucher in die Wahrnehmungssphäre der Folgeräume ein. Im zweiten Teil sind die Objekte inszeniert. 26 Buchstaben binden jeweils ein Schlagwort an sich, welches jedoch assoziativ, nicht plakativ ist und den Besucher neugierig macht. Wo die Typen auf das Papier anschlagen, befindet sich der interaktive Teil der Ausstellung, in dem der Besucher selbst zum Poeten wird.
Jurystatement
Die Aufgabe war, für Objekte aus dem Bestand eines Stadtmuseums und deren Sammlungsgeschichte ein Ausstellungskonzept zu erarbeiten. Unter dem Titel "Poesie der Dinge" legten die Projektbeteiligten 26 Exponate fest, korrespondierend zu den 26 Buchstaben des Alphabets einer Schreibmaschine, und verknüpften diese Gegenstände mit jeweils einem Gedicht. Mit diesem Kunstgriff gelang es überzeugend, disparate, auf den ersten Blick spröde Ausstellungsgegenstände in ein emotional ansprechendes Ausstellungskonzept einzubinden. Das Narrativ der Tastatur wurde differenziert grafisch und akustisch über unterschiedliche Ausstellungsstationen mit unterschiedlichen Funktionen umgesetzt: beispielsweise mit einem Wegeleitsystem und Ausstellungsvitrinen, die wie sich wie die Buchstaben beim Tippen aus der Fläche erheben. Das Konzept reicht bis zur interaktiven Einbindung der Besucher, die eigene Texte zu den Exponaten verfassen konnten.
Auszeichnung: 1. Preis
Projektname: LERO – Markierungsroboter
Medium, Objekt: Roboter
Preisträger: Leon Rehage
Hochschule / Betreuer: Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd, Produktgestaltung / Prof. Gabriele N. Reichert, Prof. Sigmar Willnauer
Autorenstatement
LERO steht für ein innovatives, halbautonomes Roboterkonzept für die selbstständige Bodenmarkierung der Stände in Messehallen. Diese Markierungen bilden die Basis, auf der sämtliche Folgearbeiten aufbauen. Sie dienen zur Orientierung der Anordnung aller Messestände und sind daher unverzichtbar für die genaue Planung einer Veranstaltung. Da momentan sämtliche Bodenmarkierungen händisch unter hohem Zeitdruck und einer enormen physischen und psychischen Belastung vorgenommen werden, soll der Roboter vor allem die Arbeiter entlasten und unterstützen. So löst der Roboter bestehende Probleme und optimiert darüber hinaus den gesamten Markierungsprozess. Mithilfe einer App lassen sich sogar mehrere Roboter parallel einsetzen, bedienen und kontrollieren. Die Produktdiversifikation ermöglicht es, dass das Konzept des LERO Roboters problemlos auf ähnliche Anwendungsgebiete wie Lagerhallen, Straßen und Baustellen übertragen werden kann.
Jurystatement
Der Aufbau einer Messe geschieht unter höchstem Zeitdruck. Im Vorfeld müssen alle Messestände innerhalb kürzester Zeit eingemessen werden. Die Hallenboden-Markierung war bisher sehr mühsam und wurde manuell angebracht, was teilweise auch mit Fehlern verbunden war. LERO arbeitet mit vorhandenen CAD-Daten der Hallen und Messestände – die Grundflächen werden in kürzester Zeit präzise markiert. Der Roboter kann selbstständig bis zu drei Messen bedienen. Durch die Kommunikation über W-LAN und App können bei Bedarf Änderungen noch während der laufenden Markierung vorgenommen werden. Auch formal hat die Arbeit die Jury überzeugt – optimal die Trennung von Fahrwerk, Gehäuse für Patronen, Steuerungseinheit und Interface.
Auszeichnung: 1. Preis
Projektname: give – digitaler Nachlass
Medium, Objekt: System zur Regelung des digitalen Nachlasses
Preisträger: Julian Dorn, Moritz Dobernecker, Leon Schlechtriem
Hochschule / Betreuer: Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd, Interaktionsgestaltung / Prof. Dr. habil. Georg Kneer, Prof. David Oswald
Autorenstatement
Während die Weitergabe materieller Dinge gesetzlich geregelt ist, ist es bisher ungewiss was mit unseren digitalen Fotos, Musik, Filmen, Dokumenten oder Accounts passiert. Einige dieser Daten können vielleicht getrost verschwinden, andere sind aber sehr wichtig für Erben, wie beispielsweise Verträge, welche heutzutage immer öfter nur noch digital bestehen. give dient dazu vorsorglich den digitalen Nachlass zu regeln und zu verwalten. Ohne großen Aufwand können Erben festgelegt - oder Daten so präpariert werden, dass sie zusammen mit dir verschwinden. Der digitale Nachlass umfasst sämtlichen digitalen Besitz einer Person, von verschiedenen Medientypen wie Bildern, Videos, Musik und Dokumenten, bis hin zu Accountdaten für lokale Dienste oder Dienste im Netz.
Jurystatement
Im Konzept wurde die Löschung und Vererbung aller relevanten Daten berücksichtigt. Durch das Speichergerät mit den Zugangsschlüsseln wird der Vererbung der eigentlich flüchtigen Daten dem Anlass entsprechende Würde gegeben.