7. Mai 2025
Aufbruchstimmung herrscht auf der Oberen Viehweide in Tübingen, einem Gebiet in der Nordstadt, das als Standort für Wissenschaft, Technologie, nachhaltige Energieversorgung und innovative Forschungseinrichtungen dient. Dort angesiedelt ist unter anderem einer der beiden Standorte des Technologieparks Tübingen Reutlingen (TTR), eines der größten Gründerzentren für Biotechnologie in Deutschland, für den a+r Architekten ein Büro- und Laborgebäude mit Kantine fertiggestellt hat. Der Campuscharakter der Oberen Viehweide fördert eine firmenübergreifende Vernetzung zahlreicher Start-ups sowie aufstrebender und etablierter Unternehmen. Dazu gehört auch eines der größten Forschungszentren Europas für Künstliche Intelligenz und Robotik, das Cyber Valley.
Der Büro- und Forschungsbau ist mittlerweile das fünfte Gebäude, das die in Tübingen und Stuttgart ansässigen Architektinnen und Architekten für die TTR GmbH umgesetzt haben. Zwei Büro- und Laborgebäude sowie ein Parkhaus am Standort Reutlingen und eines direkt angrenzend an den Campus an der Sternwarte sind bereits seit einigen Jahren in Betrieb. Das neue Gebäude zeichnet sich, wie die beiden anderen in Reutlingen, durch die flexiblen Nutzungsmöglichkeiten aus und fügt sich darüber hinaus harmonisch in die umgebende Bebauung ein. In unterschiedlichen Größeneinheiten werden die Büro- und Laborräume durch die TTR GmbH an verschiedene Firmen und Start-ups vermietet. „Der Weg von einer guten Idee zu einem Produkt ist oft lang. Der TTR verkürzt ihn, indem er das entsprechende Umfeld bereitstellt, das die Umsetzung von Ideen und den Markteintritt neuer Produkte erleichtert“, resümiert Thomas Dephoff, Geschäftsführer der TTR GmbH.
Es ist das Gelände des ehemaligen Instituts für Immunologie bzw. der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV), auf dem sich das neue Büro- und Laborgebäude von a+r Architekten befindet. Diese war über 50 Jahre lang, bis zur Schließung des Standortes Tübingen 2011, für die Erforschung virusbedingter Tierkrankheiten zuständig, bevor sie auf die Ostseeinsel Riems umgezogen ist. Nur das Pförtnerhäuschen (heute ein Friseursalon) und die „Ochsenmauer“, ein Relief, das vom Bildhauer Emil Jo Homolka für die Bundesforschungsanstalt geschaffen wurde, blieben erhalten. Wie auch die alte Sternwarte tragen sie zur besonderen Atmosphäre des Technologieparks in Tübingen bei.
In zentraler Lage, mitten auf der Oberen Viehweide, schließt der fünfgeschossige Campus an der Sternwarte eine Lücke zwischen dem Parkhaus, ebenfalls von a+r Architekten, und einem weiteren Büro- und Laborgebäude der TTR GmbH. Trotz der exponierten Ecklage am Hauptplatz, schräg gegenüber der alten Sternwarte, nimmt sich das L-förmige Gebäude bewusst zurück. Es ordnet sich über seine Proportionen, Fassaden- sowie Farbgestaltung in die Umgebungsbebauung ein und schafft dadurch eine gemeinsame Adresse. „Wir sind nicht das Rathaus, wir sind, um in dem Bild zu bleiben, ein gutes Bürgerhaus für die Forschung“, erläuterte Florian Gruner, Partner bei a+r Architekten, im Gestaltungsbeirat Tübingen das Konzept des Gebäudes.
Auf den zweiten Blick offenbart das Haus die Liebe zum Detail und die Sorgfalt bei der Materialauswahl, die a+r Architekten walten ließen. So ist der Erdgeschosssockel, der das Gebäude strukturiert, mit jadegrünen dreidimensionalen Keramikriemchen verkleidet, deren Grat in seiner Position variiert und auf diese Weise, je nach Blickwinkel, changierende Grüntöne offenbart. Die abgerundeten Ecken, im Erdgeschoss mit den Keramikriemchen auf der einen Seite und in den auskragenden Geschossen mit gebrochen weißem Rauputz über dem Haupteingang zur anderen Seite hin, markieren den Eingangsbereich und unterstreichen die Besonderheit der Ecklage. Zusätzlich betont wird die Ecke durch die nach außen tretenden Übereckverglasungen, hinter denen sich auf den jeweiligen Geschossen, die gemeinschaftlich genutzten Bereiche zur informellen Kommunikation, also die Tee- oder Kaffeeküchen befinden. Fließende Übergänge in den Fensterbändern schafft der Wechsel zwischen feststehenden Lamellen und außenliegenden Jalousien, beide in einem warmen Goldton. Auch die goldfarbenen Metallprofile der Fenster tragen zur schlichten Eleganz des gesamten Gebäudes bei.
Die flexible Nutzung des Gebäudes wird maßgeblich durch die beiden Installations- und Versorgungsschächte unterstützt. Diese Schachtelemente sind nicht nur entscheidend für die nutzerspezifische Lüftung der Labore, sondern dienen auch als zentrale Technikvorhaltung für sämtliche Nutzer. Der Strom für das Gebäude wird umweltschonend durch eine Photovoltaikanlage auf dem benachbarten Parkhaus erzeugt und unter anderem zur Kühlung des Effizienzgebäudes 40 verwendet, wobei moderne Luft-Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Beheizt wird der Campus an der Sternwarte über das sich in Sichtweite befindende Blockheizkraftwerk Obere Viehweide der Stadtwerke Tübingen. Durch die Kombination aus erneuerbarer Energie und effizienter Technik wird eine ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Energienutzung sichergestellt.
Das TTR stellt Räume zur Verfügung, in denen sich großen Ideen umsetzen lassen. Flexible Grundrisse, die sensible Materialwahl und die umweltschonende Technik bieten dafür den perfekten Rahmen.